Experten sind sich sicher: Die Life-Sciences-Branche hat das Potenzial, nicht nur den Gesundheitsmarkt, sondern auch den Immobiliensektor nachhaltig zu verändern.
Bremen. Deutschland steht an einem Wendepunkt in der Entwicklung seiner Life-Sciences-Branche. Angetrieben unter anderem durch den demografischen Wandel und steigende Gesundheitsausgaben zeichnet sich ein stetiges Wachstum ab. Doch wie eine aktuelle Analyse des Immobiliendienstleisters CBRE zeigt, steht der Bereich vor großen Chancen und ebenso großen Herausforderungen.
„Der Life-Sciences-Sektor hat ein enormes Potenzial, das in Deutschland erst an den Anfängen steht“, erklärt Jan Linsin, Head of Research bei CBRE. Diese Einschätzung stützt sich auf die kontinuierlich steigende Nachfrage nach innovativen Lösungen und spezialisierten Immobilien. „Schon heute übertrifft die Nachfrage das derzeitige Angebot an passenden Laborflächen“, so Linsin. „Start- und Scale-ups bringen die nötige Innovationskraft, um den Fortschritt voranzutreiben.“
Eine Lösung könnten sogenannte „Ready-to-use“-Laborflächen sein, die Unternehmen flexibel nutzen können. Diese vorab ausgestatteten Räume sparen Zeit und Ressourcen, die sonst für den aufwendigen Umbau traditioneller Büroflächen benötigt würden.
„Einen regelrechten Boom hat die Life-Sciences-Branche durch die Corona-Pandemie erlebt und die Bedeutung des Sektors in Deutschland verfestigt“, betont Alicia Cinar, Senior Research Analyst bei CBRE. Die Pandemie habe nicht nur die Notwendigkeit für schnelle und flexible Lösungen im Gesundheitssektor verdeutlicht, sondern auch das Bewusstsein für Forschung und Entwicklung gestärkt.
Im Jahr 2023 erzielte die Gesundheitswirtschaft in Deutschland nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz eine Bruttowertschöpfung von 435,5 Milliarden Euro, was 11,5 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung in Deutschland entspricht. Mit knapp 8,3 Millionen Erwerbstätigen war rund jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland (18,1 Prozent) in diesem Bereich tätig. Seit 2014 ist die Gesundheitswirtschaft um 1,6 Millionen Arbeitsplätze gewachsen.
Doch trotz der positiven Entwicklungen steht der Markt vor Herausforderungen. Der Fachkräftemangel, insbesondere in IT-Berufen der Pharmaindustrie, bremst die Dynamik. Gleichzeitig fehlen in Ballungsräumen moderne Labor- und Forschungsgebäude, die den hohen Ansprüchen der Branche gerecht werden.
Der Bau spezialisierter Forschungscampusse könnte eine Lösung bieten und die
Kooperation zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen stärken. Solche Einrichtungen könnten nicht nur den akuten Flächenmangel mildern, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Unternehmen und Forschungseinrichtungen fördern.
Deutschland ist gut positioniert, um die steigende Nachfrage nach Life-Sciences-Lösungen zu bedienen. Dank hoher Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie zahlreicher Exzellenzuniversitäten und wissenschaftlicher Publikationen ist das Land ein führender Akteur in Europa.
Die starke Position zeigt sich auch im Mietmarkt: Obwohl das Mietpreisniveau in der Vergangenheit unterdurchschnittlich war, konnte die Branche in den vergangenen fünf Jahren ein Wachstum von 39 Prozent verzeichnen. Dieser Anstieg zeigt das wachsende Interesse und die zunehmende Bedeutung der Branche. Auch wenn Deutschland noch nicht die Dimensionen von Märkten wie den USA oder Großbritannien erreicht hat, ist die Entwicklung vielversprechend. Die Branche steht vor einem dynamischen Wandel, der sowohl Unternehmen als auch Investoren neue Chancen eröffnet.
Von Guido Finke