Der Life-Science-Bereich ist breit gefächert und umfasst neben der Biologie auch verwandte Gebiete wie Medizin, Biomedizin, Chemie, Biochemie und Pharmazie. (Foto: Freepik)
Bremen. Die Schließung von Warenhäusern stellt Immobilienbesitzer und Kommunen vor erhebliche Herausforderungen. Eine innovative und zukunftsweisende Idee zur Umnutzung dieser großen Flächen ist die Integration der sogenannten Life-Science-Branche. Dieser Wirtschaftszweig, auch als Lebenswissenschaften bekannt, konzentriert sich auf die Untersuchung der Strukturen und Prozesse in den Zellen aller Lebewesen, einschließlich Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und Menschen. Im Wesentlichen vereint er die klassischen Disziplinen Biologie und Chemie.
Besonders die Obergeschosse ehemaliger Kaufhäuser bieten sich durch ihre großzügigen Flächen für Forschung, Entwicklung und Schulungszwecke an. „Life Science ist eine Wachstumsbranche, die zukunftsweisende Nutzungskonzepte einbringen kann“, betont Alexander Nuyken vom Immobilienunternehmen JLL. „Warenhäuser verfügen über adä-quate Eigenschaften, allerdings müssen für eine erfolgreiche Ansiedlung mehrere Voraussetzungen im Umfeld gegeben sein.“
Die Umnutzung eines leerstehenden Warenhauses kann laut Erfahrungen mehrere Jahre in Anspruch nehmen. „Dies ist jedoch regional sehr unterschiedlich und in Teilen abhängig von langwierigen Genehmigungsverfahren“, ergänzt Sarah Hoffmann (JLL). „Hier kann die Politik und Stadtverwaltung sowie auch die Bevölkerung positiv auf eine rasche Entwicklung einwirken.“ Volkshochschulen, Stadtbibliotheken oder eine Kombination aus Handel, Büro und Wohnen werden häufig als mögliche Nachnutzungskonzepte genannt. Doch auch die Life-Science-Branche bekundet großes Interesse an diesen Flächen. „Die Branche sucht großflächige Objekte in zentralen Lagen“, sagt Nuyken. „Auch hier müssen die Unternehmen Arbeitsplätze in attraktiver Lage mit guter Anbindung bieten, um Fachkräfte langfristig zu gewinnen und zu binden.“
Ehemalige Warenhäuser erfüllen viele technische Anforderungen, die für Labore notwendig sind, wie Raumtiefe, Deckenhöhe, geeignete Bodenbeläge und Luftversorgung. Auch Lagerflächen, Lastenaufzüge und Anlieferungsmöglichkeiten sind von Vorteil. Im Gegensatz zu anderen Nutzungsarten, die auf Tageslicht angewiesen sind, können Labore auf künstliches Licht setzen, was die Eignung ehemaliger Kaufhausflächen noch weiter steigert.
Ins Visier der Investoren könnten zum Beispiel ebenso Gesundheitsimmobilien gelangen. „Hier können reine Handelskonzepte wie zum Beispiel Ernährungsbedarfe, Sport- und Freizeitkonzepte durchaus Synergien mit Life-Science-Konzepten erzielen“, meint Hoffmann. „Auch gastronomische Konzepte bieten eine sinnvolle Kombination, um die Standortattraktivität für die Mieter zu steigern.“ Die Expertin empfiehlt, im Rahmen der Nachnutzung möglichst viele Optionen einzubeziehen. „Außerdem könnten Bildungs- und Tourismuseinrichtungen wie Museen eine synergetische Ergänzung sein und das ehemalige Warenhaus zu einer Themenimmobilie machen.“
Dass diese Ideen nicht nur Theorie sind, zeigt ein Blick in die USA: In Boston wurden drei ehemalige Kaufhäuser einer Bekleidungskette in moderne Life-Science-Flächen umgewandelt, mit jeweils mehr als 10.000 Quadratmetern für Labor- und Büroeinheiten. Diese erfolgreichen Projekte zeigen, wie ehemalige Einzelhandelsflächen sinnvoll umgenutzt werden können. Wie kaum eine andere Nutzungsart sei bei Life Science die Verknüpfung mit einem Cluster oder Ökosystem wichtig, so Nuyken. Das spreche etwa für Objekte in mittelgroßen Städten in direkter Nähe zur Universität oder anderen Life-Science-Instituten. Dies könnte auch den Innenstädten neue Konsumimpulse verleihen, da Jobs in der Life-Science-Branche in der Regel überdurchschnittlich gut bezahlt sind.
Der Gewerbeimmobilien-Experte geht nicht davon aus, dass über die Ansiedlung von Life-Science-Unternehmen debattiert wird. „Zum einen kommen nur Labore mit niedriger Sicherheitsstufe für zentrale Innenstadtlagen in Betracht, zum anderen wird Biotech als Branche mit hohem Zukunftspotenzial gesehen und ist somit begehrt“, sagt Nuyken.
Von Guido Finke