Lebendige Innenstädte gewünscht

Besonders am Wochenende sind Innenstädte ein zentraler Anziehungspunkt. Im Einzelhandel stehen qualitativ hochwertige Produkte, lokale Geschäfte und Boutiquen hoch im Kurs. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bremen. Tiefe Einblicke in die Bedürfnisse und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an ihre Innenstädte liefert eine Online-Befragung mit mehr als 1000 Teilnehmern. Das Ergebnis der Studie der Technischen Universität Darmstadt (TU) und JC Real Estate ist ein klarer Ruf nach Veränderung: Die Mehrheit der Befragten zeigt sich unzufrieden mit der aktuellen Situation – insbesondere was Wohnverhältnisse, Einzelhandel und öffentliche Räume angeht.

Dabei kritisieren 41 Prozent der Befragten die derzeitige Wohnsituation in den Innenstädten, 33 Prozent sind enttäuscht vom Einzelhandel und 32 Prozent von der Qualität der öffentlichen Räume. Offenbar haben zahlreiche Innenstädte über die Jahre an Attraktivität verloren.

Zentraler Anziehungspunkt am Wochenende

Der Wunsch nach Verbesserung ist deutlich: Mehr als die Hälfte (55 Prozent) sehnt sich nach besseren Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten. Gleichzeitig würden 53 Prozent
die Innenstädte öfter besuchen, wenn die Qualität der Grün- und Freiflächen sowie die Wohnbedingungen verbessert würden. Diese Bedürfnisse sind jedoch je nach sozialem Milieu sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) angibt, bei besseren Einkaufsmöglichkeiten öfter in die Innenstadt zu kommen, gilt dies nur für 37 Prozent der jungen, gut ausgebildeten Stadtbewohnerrotz dieser Unterschiede bleibt der Einzelhandel ein zentraler Anziehungspunkt – insbesondere am Wochenende, wenn er für fast 60 Prozent der Befragten der Hauptgrund für einen Stadtbesuch ist. An Werktagen sinkt dieser Wert auf 41 Prozent.

„Die Ergebnisse zeigen, dass viele deutsche Innenstädte in den vergangenen Jahren am Bedarf einer Mehrheit der Menschen vorbei entwickelt wurden“, erklärt Professor Andreas Pfnür. Er ist Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt.

Für die Zukunft der Innenstädte könnten neben dem Wohnen auch innovative Büronutzungen ein Thema werden. Derzeit arbeiten nur 11 Prozent der Befragten in der Innenstadt, weitere 40 Prozent können sich dies vorstellen. Lediglich 27 Prozent lehnen die Idee, in der Innenstadt zu arbeiten, grundsätzlich ab.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist der starke Wunsch nach mehr Grünflächen und einem ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. In einem idealen Innenstadtquartier steht Begrünung an erster Stelle der Bürgerwünsche, gefolgt von einer fußgänger- und fahrradfreundlichen Gestaltung und einem verbesserten öffentlichen Nahverkehrssystem.

Einzelhandel sollte weiterhin stark präsent sein

Diese Bedürfnisse spiegeln sich auch in der Vorstellung der Bürger von der Nachnutzung innerstädtischer Flächen wider. Am Beispiel eines viergeschossigen Warenhauses zeigt sich: Während der Einzelhandel in den unteren Etagen weiterhin eine wichtige Rolle spielen soll, plädieren viele für eine Umgestaltung der oberen Geschosse in Wohnräume und Büros. Insbesondere im vierten Obergeschoss bevorzugen 48 Prozent der Befragten Wohnungen und 32 Prozent Büroflächen.

„Die Zentren haben aus Sicht der Befragten in vielerlei Hinsicht an Attraktivität verloren“, sagt Andreas Pfnür. Um die Innenstädte neu zu beleben, brauche es einen Funktionsmix, der sich an den lokalen Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung orientiere. „Neue Shopping-Erlebnisse allein reichen den Menschen grundsätzlich nicht mehr aus.“ Vor allem Dachterrassen sollten dem Experten zufolge anders und deutlich kreativer genutzt werden als bisher. „Neue Wohnflächen und Büros könnten sich in den meisten Fällen sehr gut ergänzen.“

Von Guido Finke