„Der Wohnungsbau darf nicht stagnieren“

Bremens Stadtentwicklung soll künftig schneller, effizienter und klimagerechter werden. (Foto: Frank Thomas Koch)

Der Bremer Senat hält trotz schwieriger Rahmenbedingungen am Ziel von 10.000 neuen Wohnungen bis 2027 fest. Wie realistisch ist dieses Ziel angesichts steigender Baukosten und hoher Zinsen?

Özlem Ünsal: Die Krise des Wohnungsbaus ist nach wie vor nicht überwunden, und Wohnungsbau bleibt die soziale Frage unserer Zeit. Sich im Koalitionsvertrag die Zielmarke zu setzen, die planerischen Grundlagen für 10.000 neue Einheiten zu schaffen, war deshalb richtig und macht die politische Schwerpunktsetzung der Koalition und folglich des Senats deutlich. Wir werden auch in der Krise bauen – jedoch unter deutlich erschwerten Bedingungen. Der bezahlbare Wohnungsbau darf nicht zum Erliegen kommen. Deshalb arbeiten wir mit viel Kraft daran, unseren Beitrag zur Entspannung im Wohnungsbau mit unseren eigenen Instrumenten beizutragen. Ich schöpfe als Senatorin aktiv die Möglichkeiten im Rahmen unserer Instrumente und Förderprogramme aus und lege der Senatskommission Wohnungsbau unsere Vorschläge zur Befassung vor. Es wird jetzt darauf ankommen, Entscheidungen gemeinsam so zu treffen, dass Projekte und Vorhaben umgesetzt und das bezahlbares Wohnen realisiert werden können. Als Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung setze ich dabei auf eine Strategie der drei Säulen: Wohnraumförderung sichern, Baukosten senken, Verfahren entschlacken und beschleunigen, beispielsweise durch Digitalisierung.

Welche konkreten Maßnahmen ergreift Bremen, um den Wohnungsbau trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen anzukurbeln – gibt es neue Förderprogramme oder Anreize für Investoren?

Bremen verfolgt eine umfassende Strategie, die auch die Beschleunigung und Vereinfachung der Planungsverfahren durch eine zweite Novelle der Landesbauordnung in dieser Legislatur beinhaltet. Mit Blick auf die erheblich gestiegenen Baukosten sehe ich zudem zeitnah vor, Regelungen und Verfahren zur Senkung der Baukosten für Bremen zu implementieren. Hamburg hat jüngst erfolgreich untersucht, welche wichtigen Stellschrauben Baukosten effektiv senken können und damit erstmalig einen bundesweiten Orientierungsrahmen für alle anderen Bundesländer vor-gelegt. Zudem haben wir eine agile Stadt-
entwicklungsgesellschaft mit dem Namen BreSTADT gegründet. Zusätzlich entwickeln wir aktuell probeweise ein KI-gestütztes Baupotenzialflächen-Informationssystem, das brachliegende Potenziale schnell nutzbar macht und dabei hilft, Flächen gezielter in Nutzung zu bringen.

Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist weiterhin hoch. Wie viele der geplanten 10.000 Wohnungen werden konkret im sozialen Wohnungsbau entstehen?

Für Neubauprojekte mit neuem Planungsrecht gilt grundsätzlich eine Quote von mindestens 30 Prozent für den geförderten Wohnungsbau ab einer Projektgröße von 20 Wohnungen. In den vergangenen Jahren wurden rund 1900 geförderte Wohnungen fertiggestellt. Unsere Programme ermöglichen jährlich die Förderung von rund 350 Wohnungen. Dieses Niveau wollen wir beibehalten und wenn möglich dieses Jahr weiter ausbauen.

Die Bauwirtschaft klagt über hohe bürokratische Hürden und lange Genehmigungsverfahren. Was tun Sie, um den Wohnungsbau zu beschleunigen?

Während die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland laut statistischem Bundesamt erneut stark zurückgegangen ist, führen wir aktuell mit Bremen die Spitze des gegenläufigen Trends. Bremen verzeichnet damit als einziges Land einen deutlichen Anstieg. Wir schaffen gezielt Anreize für den Wohnungsbau, beschleunigen die Genehmigungspraxis und fördern bezahlbare Wohnungen, damit mehr Menschen in Bremen ein passendes Zuhause finden können. Mit der seit Juli 2024 wirksamen Novellierung der Bremischen Landesbauordnung vereinfachen wir bereits Verfahren deutlich. Die Einführung des digitalen Bauantragsverfahrens wird zusätzlich zur Beschleunigung beitragen. Außerdem treiben wir gezielt sektorale Bebauungspläne voran, um schnelleres Baurecht zu schaffen und reduzieren durch gezielte Überprüfung bestehender Baustandards weitere bürokratische Hürden. Aber auch die Bauwirtschaft selbst kann hier einen aktiven Beitrag leisten, etwa durch gut aufeinander abgestimmte und vollständige Antragsunterlagen ebenso wie das Optimieren der eigenen Projektmanagementstrukturen oder das Ausschöpfen der schon heute vorhandenen Spielräume zur Kostensenkung in den technischen Normen.

Bremen setzt auf eine klimagerechte Stadtentwicklung. Wie lässt sich der Wohnungsbau mit den ehrgeizigen Klimazielen der Stadt vereinbaren?

Unsere Wohnungspolitik berücksichtigt konsequent die Klimaneutralität und die CO2-Minderungsziele Bremens. Die Senatskommission Wohnungsbau setzt sich aktuell auch mit Gebäudeenergiestandards auseinander, um klimaverträgliches Bauen wirtschaftlich, sozialgerecht und praxistauglich umzusetzen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum und überhaupt Wohnraum, der anschlussfähig an eine dekarbonisierte Wärme- und Energieversorgung ist. Dabei gilt es, die sozialen Aspekte mit den ökonomischen und den Anforderungen an die Klimaneutralität in Einklang zu bringen und die Bezahlbarkeit nicht aus den Augen zu verlieren – keine triviale Aufgabe.

Der Wohnungsmarkt entwickelt sich in Bremen unterschiedlich: In einigen Stadtteilen fehlen Wohnungen, in anderen gibt es Leerstand. Was kann dagegen getan werden?

Darauf gibt es kein Patentrezept – jedes Quartier verlangt eine eigene Betrachtung und individuelle Antworten. Im Zentrum begegnen wir dieser Herausforderung mit einer konsequenten Innenentwicklung. In anderen Stadtteilen helfen uns das neue Baupotenzial-Informationssystem und das Baulückenkataster, vorhandene  Potenziale effizient zu aktivieren. Unsere sektoralen Bebauungspläne ermöglichen zudem gezielte Entwicklung auch in Quartieren mit geringem Anteil an gefördertem Wohnraum. Unser Ziel ist eine stadtweit ausgewogene und bedarfsgerechte Wohnraumentwicklung, die Leerstände reduziert und gleichzeitig dort guten Wohnraum schafft, wo Bedarf besteht. Die aktuelle Wohnraumbedarfsprognose ermöglicht uns, Bedarfe in den Stadtteilen frühzeitig zu erkennen und Strategien darauf auszurichten. Der Stadtentwicklungsplan Wohnen fokussiert räumlich auf die Stadtteile.

Wenn wir fünf Jahre in die Zukunft schauen: Wie sieht der Bremer Wohnungsmarkt im Jahr 2030 aus – welche Fortschritte erhoffen Sie sich und welche Herausforderungen bleiben?

Ich setze auf eine deutliche Entspannung auf dem deutschen Wohnungsmarkt und auf eine neue Bundesregierung mit einem eigenständigen Bauministerium, dass den Ländern und Kommunen bei der großen Aufgabe kräftig Rückenwind gibt. Kluger Wohnungsbau ist auch ein zentraler Standortfaktor für die Zukunftsfähigkeit unserer Region. Für das Jahr 2030 erwarte ich einen Wohnungsmarkt, der durch die aktuell angestoßenen Maßnahmen deutlich gestärkt wurde: mit ausreichend bezahlbarem Wohnraum und nachhaltigen Quartieren. Wir werden zudem flexibler auf Wohnraumbedarfe reagieren können, gestützt durch aktualisierte Bedarfsprognosen. Ich möchte, dass Bremen das Land der Quartiere wird: lebenswert, zukunftsfest und innovativ. Aktuell befindet sich die Wohnraumbedarfsprognose für die Stadt Bremen in der End­redaktion. Deutlich wird, dass sich durch die hohe Variabilität aufgrund von kriseninduzierten Veränderungen sich weniger präzise Aussagen über die Bevölkerungsentwicklung in den nächsten zehn Jahren treffen lassen. Das bedeutet, wir müssen flexibler, pragmatischer und innovativ auf die Anforderungen reagieren. Der Stadtentwicklungsplan Wohnen bietet uns dazu das Instrumentarium.

Das Gespräch führte Guido Finke.