Der Hof Buntentor liegt in einem versteckten Hof in der Bremer Neustadt und ist das Zuhause von 25 Menschen zwischen fünf und 62 Jahren. (Foto: Hof Buntentor)
Bremen. Baugemeinschaften, auch als Baugruppen oder Wohnprojekte bekannt, sind eine innovative und zukunftsweisende Form des kollektiven Bauens und Wohnens, die in den letzten Jahrzehnten insbesondere in urbanen Gebieten an Bedeutung gewonnen hat. In Zeiten steigender Immobilienpreise, knapper Ressourcen und wachsender Nachfrage nach individuellen Wohnlösungen bieten Baugemeinschaften eine Alternative zum herkömmlichen Immobilienmarkt.
Das Konzept basiert darauf, dass Menschen mit ähnlichen Lebensentwürfen, also mit vergleichbaren Vorstellungen von Wohnen und Leben, sich zusammenschließen, um gemeinsam ein Bauprojekt umzusetzen. Dadurch haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Anfang an Einfluss auf die Planung und Gestaltung des Gebäudes und sie erschaffen sich damit Wohnraum, der maßgeschneidert auf ihre Bedürfnisse ist. In den Projekten entstehen darüber hinaus nicht nur individuelle Wohnungen, sondern zugleich Gemeinschaftsflächen und -einrichtungen, die das soziale Miteinander fördern.
Gemeinsame Planung und Gestaltung
Die Mitglieder einer Baugemeinschaft arbeiten eng zusammen, um Entscheidungen über die Gestaltung des Projekts zu treffen. „Die Mitgestaltungsmöglichkeit erlaubt es, individuelle Bedürfnisse und Lebensstile zu berücksichtigen. Diese Flexibilität ist einer der Hauptgründe, warum sich viele Menschen für dieses Modell entscheiden“, sagt Thomas Czekaj, Koordinator für gemeinschaftliches Wohnen in Bremen.
Durch die gemeinsame Planung hat jedes Mitglied ein Mitspracherecht. „Entscheidungen werden oft im Konsens getroffen, was das Gemeinschaftsgefühl stärkt. Gemeinsam genutzte Flächen wie Gärten, Werkstätten oder Gemeinschaftsräume fördern das soziale Miteinander und bieten Raum für Aktivitäten“, erzählt Czekaj. Zugleich erfordert die Zusammenarbeit aber ein hohes Maß an Kompromissfähigkeit. Auch der Weg zur Umsetzung der Ziele kann dadurch sehr lang sein.
Durch die gemeinsame Finanzierung entstehe laut Czekaj ein Wohnumfeld, das sowohl den finanziellen Rahmenbedingungen entspreche als auch eine hohe Lebensqualität biete. Da die Baugemeinschaft ohne gewinnorientierte Bauträger agiert, entfallen Gewinnmargen, sagt Czekaj: „Stattdessen teilen sich die Mitglieder die Kosten für Grundstück, Planung, Bau und Entwicklung gemeinsamer Infrastrukturen. Dies kann zu erheblichen Einsparungen führen, insbesondere in Städten mit hohen Immobilienpreisen.“ Zudem bietet das Modell eine hohe finanzielle Transparenz, da alle Mitglieder Einblick in die Kosten haben.
Viele Baugemeinschaften legen laut Thomas Czekaj zudem Wert auf nachhaltiges Bauen. „Durch die gemeinsame Planung können umweltfreundliche Bauweisen und Materialien von Anfang an berücksichtigt werden“, so der Koordinator für gemeinschaftliches Wohnen. Häufig werden zudem nachhaltige Lebensstile gefördert, wie zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen oder das Gärtnern auf Dachflächen.
Die Wahl der Rechtsform ist bei der Gründung einer Baugemeinschaft ein entscheidender Aspekt, da sie die rechtliche, finanzielle und organisatorische Struktur der Gruppe bestimmt. Eine der häufigsten Rechtsformen für Baugemeinschaften sei laut Czekaj die eingetragene Genossenschaft (eG). „Diese Form bietet Vorteile wie die Haftungsbeschränkung und demokratische Entscheidungsprozesse. Sie ist insbesondere für größere Projekte mit einer langfristigen Perspektive geeignet“, erklärt Czekaj. Wichtig zu wissen: Bremen hat eigens für Baugemeinschaften ein Genossenschaftsförderprogramm ins Leben gerufen, um insbesondere diese Projekte in Zeiten hoher Grundstücks- und Immobilienpreise aktiv zu unterstützen.
Alternative zur Anonymität
In einer zunehmend anonymen und individualisierten Gesellschaft bieten Baugemeinschaften laut Czekaj eine wertvolle Alternative, bei der Nachbarschaft und Gemeinschaft wieder im Vordergrund stehen: „Für diejenigen, die bereit sind, diesen Weg zu gehen, bietet sich die Chance, nicht nur ein Haus, sondern auch eine lebendige Gemeinschaft zu schaffen“, so Thomas Czekaj.
„Wohnprojekte sind mehr als nur alternative Wohnformen: Sie sind Ausdruck eines gemeinschaftlichen Miteinanders, das soziales Engagement, Nachhaltigkeit und bezahlbares Wohnen miteinander verbindet“, sagt auch Özlem Ünsal. Die Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung ist Schirmherrin des Tags des offenen Wohnprojektes 2024. Am Sonntag, 1. September öffneten 16 Bremer Wohnprojekte ihre Türen und stellen sich den Interessierten vor. Führungen, Hoffeste und Picknicks bieten Einblicke in die verschiedenen Projekte und die Menschen, die sie gestalten. Darunter sind sowohl Immobilien, die seit einigen Jahren bewohnt sind, als auch solche, sich noch in der Planung oder im Bau befinden. Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind übrigens in der gesamten Stadt zu finden: In Osterholz, Hulsberg, Schwachhausen, Findorff, in Walle und in der Überseestadt sowie im Bremer Süden. Dort werden am morgigen Sonntag Wohnprojekte von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern vorgestellt.
Bunte städtische Wohnlandschaft
Eines der Objekte ist der Hof Buntentor in der Neustadt, dessen rund zehnjährige Existenz allerdings zurzeit aufgrund mangelnder Finanzierung bedroht ist. Einer der Bewohner beschreibt das Leben dort dennoch positiv: „Unser Hof ist mehr als eine reine Hausgemeinschaft – es sind freundschaftliche, familiäre und verantwortungsvolle Verbindungen entstanden. Damit bedient der Hof Buntentor mehr als nur ein Klischee von gelebter Utopie: mehrgenerational, mit unterschiedlichen kulturellen, sozialen und beruflichen Hintergründen leben wir Gemeinschaft.“
Das Netzwerk Wohnprojekte Bremen, das diesen Tag des offenen Wohnprojektes 2024 organisiert hat, zeigt damit, wie lebendig und bunt eine städtische Wohnlandschaft gestaltet werden kann. „Gemeinschaftliches Wohnen spielt eine entscheidende Rolle in der Quartiersentwicklung und fördert eine menschenzentrierte Architektur, die auf die Bedürfnisse aller Bewohnerinnen und Bewohner eingeht“, so Özlem Ünsal in ihrem Grußwort zum Tag des offenen Wohnprojektes 2024.
Von Antonia Lühmann