Bremen. Trotz des anhaltenden Booms des Online-Shoppings bleibt der stationäre Handel ein wichtiger Bestandteil der Strategie vieler Einzelhändler in Europa. Laut einer aktuellen Umfrage des Immobiliendienstleisters CBRE planen 72 Prozent der befragten Unternehmen, ihre Präsenz zu verstärken und die Größe ihrer Filialen auszubauen. Dieser Anteil hat sich im Vergleich zu 2022 fast verdreifacht, als nur 26 Prozent Interesse an größeren Ladenflächen zeigten.
Hinter dem Trend zu größeren Geschäften steckt jedoch mehr als nur Optimismus. Viele Einzelhändler suchen nach Möglichkeiten, ihre Flächen zu erweitern, um ein umfassenderes Einkaufserlebnis zu schaffen, das sich vom Online-Handel abhebt. Kundenbindung und Markenpräsenz spielen dabei eine zen-trale Rolle, aber auch die Einführung neuer Produkte und die Steigerung der Produktivität sind wichtige Faktoren. Dennoch bleiben die Herausforderungen groß: Steigende Mieten und der Druck, die Kundenfrequenz konstant hoch zu halten, setzen die Branche unter Zugzwang.
Höhere Ausgaben und Markentreue
„Die bessere Stimmung der Verbraucher schlägt sich allmählich in höheren Konsumausgaben nieder. Das wiederum gibt den Einzelhändlern die nötige Rückendeckung, um sowohl in den ihnen vertrauten Märkten als auch in neuen Märkten Geschäfte zu eröffnen“, erklärt CBRE-Sprecher Frank Emmerich. „Und da die Einzelhändler sehen, dass die Markentreue ihrer Kunden durch das reale Einkaufserlebnis im stationären Laden gestärkt wird, investieren sie wieder in ihre Geschäfte vor Ort, um so die Markenidentität zu stärken“, betont der Experte.
Ebenfalls gefragt ist der Umfrage zufolge der „Own-to-Occupy“-Trend, der vor allem von Luxuseinzelhändlern aufgegriffen wird, während der Großteil der Branche weiterhin auf Mietmodelle setzt. Für den Massenmarkt bleibt die Eigentumsstrategie eine Ausnahme, da 84 Prozent der Unternehmen angaben, keine Pläne zur Erweiterung ihres Immobilienbesitzes zu haben.
Die Standortwahl ist auch ein Thema, das polarisiert. Fachmarktzentren sind für 45
Prozent der befragten Händler attraktiv, vor allem wegen der hohen Kundenfrequenzen, der kostenlosen Parkplätze und der Konzentration ähnlicher Einzelhändler. Diese Fokussierung wirft jedoch die Frage auf, wie nachhaltig und zukunftsfähig solche Standorte in Zeiten sich verändernder Kundenpräferenzen und wirtschaftlicher Unsicherheiten tatsächlich sind.
Vertrauen in den Markt zurückgekehrt
„Unsere Ergebnisse zeigen uns, dass die Einzelhändler nach einer Reihe von schwierigen Jahren wieder Vertrauen in den Markt haben und expandieren wollen“, sagt Jan Schwarze, Head of Research bei CBRE. „Die in der Umfrage aufgezeigten Trends werden auch durch die positiven Entwicklungen der von CBRE verwalteten Einkaufszentren in ganz Europa untermauert.“ Denn dort seien die Umsätze der Mieter im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent gestiegen. „Der Umsatz lag deutlich über der Inflationsrate. Einzelhändler erkennen den Wert des physischen Stores und dass er eine wichtige Voraussetzung für das Erreichen von Wachstumszielen ist.“
Aus technologischer Sicht befinden sich viele Einzelhändler derzeit eher in der
Sondierungs- als in der Umsetzungsphase. So gaben 61 Prozent der Befragten an, sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) zu beschäftigen, während nur 25 Prozent bereits konkrete KI-Lösungen in ihre Prozesse integriert haben.
Nachhaltigkeit nimmt unterdessen auch im stationären Einzelhandel eine immer wichtigere Rolle ein. Laut Umfrage gehen sechs von zehn Einzelhändlern davon aus, dass „grüne“ Elemente in den nächsten drei Jahren fester Bestandteil von Mietvertragsverhandlungen sein werden. Vor zwei Jahren erwarteten dies lediglich 45 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Von Guido Finke