Blumenthal: Kampf gegen den Leerstand

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Aus der Luft ist die Monströsität des Bunkers Valentin (im Bild unten rechts) besonders gut zu erfassen. (Foto: Karsten Klama)

Blumenthal ist der nördlichste Stadtteil Bremens und erstreckt sich vom malerischen Wätjens Park über das Gelände der ehemaligen Bremer Wollkämmerei und das „alte“ Stadtteilzentrum bis hin zur Bahrsplate direkt an der Weser. Die namensgebenden Blumen gibt es hier zuhauf; der Stadtteil ist sehr grün. Es gibt aber auch viel Wildwuchs und das eine oder andere „Unkraut" – um im Bild zu bleiben.

Einer, der sich für Blumenthal engagiert, ist Marcus Pfeiff. Er ist einer von vier Sprechern der Initiative Alt-Blumenthal. „Der Stadtteil befindet sich in einer Umbruchphase", sagt Pfeiff und spricht von einer schwierigen Zeit, die Blumenthal durchlebe. Es sei wichtig, die positiven Seiten deutlicher hervorzuheben. Denn obgleich Blumenthal Problemzonen habe, sollten die Vorzüge des Stadtteils für ein größeres Selbstbewusstsein unter den Bürgern sorgen. Auch und gerade angesichts aktueller Diskussionen.

Eine dieser Debatten dreht sich darum, dass der alte Ortskern nahezu tot sei, Kritiker bemängeln zudem die Planungen zur Neugestaltung: Die Ideensammlung nehme zu viel Zeit in Anspruch – Handlungen und Ergebnisse blieben dagegen aus.

So gründete sich Anfang 2015 die Initiative Alt-Blumenthal, um die Dinge anzupacken – um zwischen Anwohnern, Gewerbetreibenden und Ortspolitik zu vermitteln. Und tatsächlich ist bereits einiges erreicht worden. Beispielsweise wurde die Genehmigung für eine Steinbrechanlage an der Bürgermeister-Dehnkamp-Straße ausgesetzt und man sucht nach einer alternativen Flächen dafür. „Da unten ist eine wunderbare Wohnlage. Mit einer gehobenen Bebauung an dieser Stelle könnte im Stadtteil eine bessere soziale Durchmischung erreicht werden", sagt Pfeiff.

Zudem ist der Weg für den Abriss der Strandhalle frei. „Ein Sahnestück an Grundstück“, wie Pfeiff es nennt. Auch die Discgolf-Anlage auf der Bahrsplate zählt Pfeiff zu den positiven Dingen, die bereits erreicht wurden. Für Anwohnerin Gabriele Götze ist die allerdings Ressourcenverschwendung. Sie kann nicht nachvollziehen, dass Geld in die Discgolf-Anlage „reingepulvert“ wurde, während der Farger Bahnhof weiterhin eine Gefahr für sehbehinderte Menschen darstelle. 

Fortschritte zu verzeichnen hat Sozialarbeiterin Carola Schulz. Die 40-Jährige hat mit dem Quartierstreff in der Kapitän-Dallmann-Straße 18 eine Anlaufstelle für die „Nachbarschaft“ in Blumenthal geschaffen. „Die ist direkt hier vor Ort und jeder kann zu uns kommen und gehen wie er will.“ Weiter sagt sie: „Dank des Quaratierstreffs kommen die Menschen raus und knüpften neue Kontakte."

Doch einigen geht die Entwicklung Blumenthals nicht schnell genug voran. Und anderen missfällt die Art, wie es sich entwickelt: Das Einkaufszentrum im sogenannten Müllerloch und die neuen Geschäfte, die das Blumenthal-Center bilden, hätten die kleinen Einzelhändler um den Marktplatz herum verdrängt, so eine Anwohnerin. Dies sei dem Wandel zuzuschreiben sei, den auch Pfeiff angesprochen habe, hält ein Vegesacker dagegen, das Müllerloch leiste ein ergänzendes Angebot.

Das Blumenthaler Zentrum, der „alte Ortskern“, locke die Menschen zwar nicht mit vielen Parkplätzen und üppigem Einkaufsangebot wie es am großen Einkaufszentrum der Fall sei, zum Wohnen könne es aber sehr schön sein, so Marcus Pfeiff. Dabei handele es sich noch um Visionen: „Aber man muss ja eine Vorstellung davon haben, wo Blumenthal einmal hin möchte.“ Sozialarbeiterin Schulz würde die Hauseigentümer der leerstehenden Geschäfte gerne davon überzeugen, dass die Räume für das Quartier genutzt werden können. Doch das sei schwierig.

„Der Stadtteil hat ganz unterschiedliche Realitäten und ist unterschiedlich gestaltet", sagt sie. Da ist der alte Ortskern, der zum Teil noch die Geschäfte hat und historisch gewachsen sei. Lüssum-Bockhorn ist hingegen ein eher „klassisches Neubau-Viertel mit Großraumsiedlungen“. In Rönnebeck, Farge und Rekum finden sich dagegen noch ländlichere Strukturen, der Altersdurchschnitt liegt hier höher im Vergleich zu Lüssum-Bockhorn und dem Ortsteil Blumenthal. Und nicht nur dieser ist "Wohnen in Nachbarschaften"-Fördergebiet (WIN): „Dieses Fördergebiet von WIN und Sozialer Stadt, das gibt es in Lüssum-Bockhorn auch, weil das eben auch die beiden Quartiere mit viel Zuzug von Migranten mit geringen Einkommen sind“, sagt die Sozialarbeiterin.

Ihr Arbeitsbereich liegt in der oft als Brennpunkt bezeichneten George-Albrecht-Straße. „Das ist eine der Straßen mit dem vermutlich höchsten Kinder- und Jugendlichen-Anteil hier in der Gegend.“ Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist es, Strukturen für Freizeitbeschäftigung zu schaffen und zum Selbstgestalten anzuregen. Viele Menschen werden über Feste und Aktionen erreicht. „Wir machen zum Beispiel mit den ganzen sozialen Institutionen einmal im Jahr ein Sommerfest auf dem Schillerplatz.“ Wenn Begegnungsorte und gemeinsame Aktivitäten auch nicht alle Probleme lösen, so könnten sie möglicherweise Perspektiven verändern.

Im nächsten Jahr wird Schulz ihre Arbeit im Quartierstreff fortsetzten. Und auch Marcus Pfeiff möchte bei der Entwicklung des Stadtteils so viele Bürger wie möglich mitnehmen. „Dieses Blumenthaler Zentrum ist ganz wichtig für die Identifikation und wir möchten gern, dass die Blumenthaler auch mal wieder erklären, dass sie Blumenthaler sind und dass sie auch gerne Blumenthaler sind.

Bürgerbeteiligung zu organisieren, bei der es auch um Investitionen geht, sei jedoch ungleich schwieriger. Im Stadtteil gibt es viele engagierte Bürger, aber es seien eben auch Kaufleute und direkte Anwohner an den runden Tischen gefragt. „Wenn man in die George-Albrecht-Straße beispielsweise reinschaut oder die Mühlenstraße runtergeht, danmn sieht man viele ältere Hausbesitzer, viele Häuser, die runtergekommen sind. Die alle wirklich mit an den Tisch zu bekommen, das ist sehr schwer.“  

Doch es klappt auch einiges: Der Wätjens Park soll eine bessere Beschilderung bekommen. Am Busbahnhof Blumenthal wird umgebaut, im Zuge dessen, soll sich vieles mit verändern. „Das ,Projekt Blumenthal' wird sicher noch zehn Jahre brauchen, mindestens", vermutet Marcus Pfeiff. Aber die Anstrengungen werden sich lohnen. (Autorin: Annika Mumme)