Burglesum: Dörfliches Idyll und städtische Probleme

Lesum 800x460.jpg

Knoops Park ist ein ruhiger Ort. Vielleicht gerade deswegen, vielleicht auch schlicht der schönen Natur wegen, kommen jeden Tag Menschen für ausgedehnte Spaziergänge hierher. (Foto: Mikhail Galian)

Die Spitze Bremens liegt 32,5 Meter über dem Meeresspiegel – und Lutz Röber lebt ganz in ihrer Nähe, dort im bergigen Friedehorstpark. Die Stadtteilgeschichte aber veranschaulicht der "Greeter" im Zentrum Lesums, am kleinen Marktplatz: Gerade Lesum und St. Magnus sind von dörflichen Strukturen geprägt, beide Ortsteile gehören zum Stadtteil Burglesum. „Das war mal eine Frage bei Günther Jauch: Welcher ist der zweitkürzeste Fluss Deutschlands? Das ist die Lesum“, sagt Röber, der seine "Greets"-Tour grundsätzlich mit einem „Moin“ beginnt. „Un ik segg ook nech Moin Moin“, schließlich wolle er keine Konversation anfangen, erklärt er mit einem Augenzwinkern. Doch um eben diesen Austausch geht es ihm. 

2014 gründete der 70-Jährige die Nord-Bremer „Greeter“. Das Konzept lernte er zwei Jahre zuvor in Toronto kennen und lieben, wobei die Idee aus New York kommt. Mit klassischen Stadtführungen habe das allerdings wenig gemein. Ein Spaziergang durch den Stadtteil, nach dem „Greeter“ und Teilnehmer als Freunde auseinander gingen, treffe es eher. „Nicht mehr als sechs Personen“, erklärt der gebürtige Burglesumer, und manchmal „bis zu drei Stunden“ umfassten die kostenlosen Begehungen, die sich „Greets“ („greet“, englisch: begrüßen, empfangen) nennen. Voneinander lernen und nicht das bloße Aufsagen historischer Zahlen lautet die Devise: „Wenn Sie Menschen treffen, dann erfahren Sie etwas.“ Und Lutz Röber hat viele Menschen getroffen. Ob in Toronto, Spanien und Holland, Georgien und sogar Thailand. Aber in Burglesum ist der ehrenamtliche „Greeter“ zu Hause: „Ich bin stolz, dass ich in der Mitte Bremens wohne!“

In einer Mitte, die allerdings zunehmend älter wird und Abwanderungen beklagt. Gleichzeitig entdecken immer mehr Menschen, darunter junge Familien, die Vorzüge Burglesums, nicht zuletzt, weil der Stadtteil sich an das Naherholungsgebiet des Blocklandes und die „Bremer Schweiz“ schmiegt. Dabei muss für Freizeit und Erholung Burglesum gar nicht verlassen werden. Am Lesumer Hafen kann Ruderbooten und Seglern beim Dahinschippern zugeschaut werden. Die sogenannte „Jünglingshöhe“ in Knoops Park buhlt mit dem Kirchberg und der Höhe im Friedehorstpark um den Rang der schönsten Aussichtsplattform im Stadtteil um die Wette. 

Bewohner sehen die Idylle gefährdet

Doch neben den dörflichen Vorzügen existieren auch die Herausforderungen, die ein (Groß)Stadtteil mit sich bringt. Der ehemalige Leiter des Bauamtes Bremen-Nord, Christof Steuer, weiß gut um die Stärken und Schwachpunkte Burglesums: „Es ist zum einen sehr vielschichtig. Es reicht ja von Grambke über Marßel – eines der größten Sozialwohnungsgebiete – bis hin zum sehr vornehmen Stadtteil St. Magnus.“ Er lächelt. Steuer sieht auch Entwicklungspotenzial. Marßel sei durch das Zutun der Gewoba auf einem guten Weg. Und im Alwin-Lonke-Quartier in Burg-Gramke könne dieses Potenzial ausgebaut werden. „Sie müssen immer gucken, wo sind diese günstigen, einfachen Wohngebiete“, wo es oft an sozialer Durchmischung mangele, so der 72-Jährige.

Und die beiden Ortsteile bieten tatsächlich mehr: In Burgendamm liegt das Freizeitheim Burglesum. In Burg-Grambke findet sich ein großes Sportangebot und wer mit dem Auspowern fertig ist, der geht im Grambker See mit Parkkulisse plantschen. 

In der malerischen Umgebung St. Magnus' sehen einige Anwohner die Idylle indes gefährdet. Zwischen Billungsstraße und Raschenkampsweg, am Westrand des Knoops Park, soll städtebaulich die Verschmelzung von Natur und Wohnen stattfinden. Das Konzept zum Bebauungsplan 1274 („Alte Stadtgärtnerei“) umfasst 30 bis 40 Wohneinheiten. Olaf Brandtstaedter, Sprecher der Bürgerinitiative „Grünes St. Magnus“, ist gegen die Bebauung eines Teils des ehemaligen Geländes des Bremer Umweltbetriebes „Stadtgrün“. Brandtstaedter, der auch in der „Bremer Bahnhofsplatz Initiative“ aktiv ist, kritisiert, dass die Innenverdichtung in Bremen stetig voranschreite und die Bürgerbeteiligung zur Gestaltung der Areale mäßig bis gar nicht stattfinde. Auch der Begriff „Brache“ ist dem 50-jährigen Pädagogen ein Dorn im Auge: Einmal platziert, verbreite sich eine verzerrte Wahrnehmung zur Fläche.

Das Gelände, das bebaut werden soll, bildet circa ein Drittel der Plangebietes, das insgesamt rund acht Hektar umfasst. Es gehört jedoch nicht zu der seit 2010 unter Denkmalschutz stehenden Fläche des Knoops Park. „Damals war eigentlich schon der Kompromiss mit der Randbebauung gefunden gewesen, in einem Rahmenkonzept, was 2008 vom Büro Müller-Glaßl gemacht worden ist“, erklärt Steuer. Damals wäre zwar eine viel lockerere Bebauung vorgesehen gewesen, seither habe sich der Bedarf an Wohnraum in Bremen jedoch verändert.

Keine Frage ob, sondern wie gebaut wird

Lutz Röber führt derweil durch Burglesum und bleibt vor dem Emmaberg stehen. „Kennen Sie Gräfin Emma? Ihr haben wir den Bürgerpark zu verdanken.“ Weiter zeigt Röber auf das Haus des Lesumer Heimatvereins: „Früher war das eine Schule. Der Lehrer hat oben gewohnt und die Kinder durften dann Kohlen zum Heizen mitbringen.“

Ein Stück voraus – ein Neubau auf einem zuvor erschlossenem Grundstück. „Das war mal 'Bielefeld', der in Lesum eine Sandkuhle hatte.“ Der „Greeter“ schaut sich das Gebäude an und bildet die thematische Brücke: „Ich halte es für sinnvoller, innerhalb der Stadt zu verdichten, wo die Infrastruktur da ist, – Bus und Bahn, alles vor der Tür – statt die Zersiedelung von Meyenburg, Schwanewede oder Osterholz-Scharmbeck voranzutreiben. In St. Magnus wird nicht der Park dichtgebaut, sondern auf dem ehemaligen Gelände der Stadtgärtnerei, die stillgelegt wurde, werden Häuser gebaut.“ 

Für Christof Steuer, Vorsitzender des Fördervereins Knoops Park, ist es keine Frage ob, sondern wie hier gebaut wird. „Wir haben lange versucht, Bebauung und Park zusammen zu ordnen. Das heißt ein Streifen Bebauung an der vorhandenen Billungsstraße und der andere Teil, die ehemalige Baumschule, dem Park zuschlagen.“ Weiter schildert der ehemalige Bauamtsleiter: „Was uns wichtig war, ist, dass zusammen mit dieser Bebauung auch eine Grünverbindung mit dem Gebiet dahinter entsteht, von dem Wohngebiet in den Park hinein.“ Steuer könne von Berufswegen nachvollziehen, dass die Stadt Bremen mit dem Grundstück auch einen wirtschaftlichen Gedanken verfolge, dies dürfe aber nicht der Fokus sein. 

Flüsse schaffen Grenzen

Olaf Brandtstaedter gibt sich weniger zuversichtlich. Er fordert: keine Bebauung auf der Fläche. Stattdessen, so stellt es sich die Bürgerinitiative vor, könne dort ein Amphitheater oder Fläche für ein „Urban Gardening“-Projekt entstehen. Um solche und andere Pläne zu tragen, müssten sich „Liebhaber“ der Sache finden, sagt Ursula Beinhorn, weiteres Mitglied der Initiative. Vorschläge würden jedoch abgeschmettert, einen gründlichen Diskurs – vor allem mit Beirat und Ortsamt Burglesum – hätte es nicht gegeben, erläutert Brandtstaedter. 3000 Unterschriften, die die Bürgerinitiative nach eigenen Angaben sammelte, wären ignoriert worden. Eine festgefahrene Situation, in der sich Brandtstaedter nebst Bürgerinitiative als „nicht wahrgenommen“ bezeichnet. In einer Online-Petition ruft die Initiative nun zu weiterer Mitzeichnung auf. Ziel: „Hände weg vom Knoops Park“. 

Röber, der „Greeter“, sieht sich verantwortlich, etwas für das Image Bremen-Nords tun. Dass der Bezirk abgehängt sein solle, kann er nicht bestätigen. „Hier haben wir den schönsten Stadtteil Bremens“, sagt er fröhlich. „Wir haben hier im Knoops Park mehr seltene Baumarten als im Bürgerpark.“ Röber schlussfolgert, dass „Stadtbremer“ den Norden seltener besuchen, weil Flüsse Grenzen schaffen. „Und dann ist das ja so wahnsinnig weit mit dem Zug“, sagt er ironisch. 

Steuer zeigt indes die „Woldes Wiese“, die Fläche, neben der gebaut werden soll. „Es ist eine Fehlannahme, dass der Park angeknabbert wird.“ Und weiter: „Wir haben in St. Magnus Grünfläche in großem Ausmaß und da kann man sagen, dass man möglichst viele Leute an der schönen Gegend teilhaben lassen möchte.“ Jungen Familien durch eine adäquate Bauweise Wohnraum bieten. „Hier gibt es üblicherweise große Grundstücke, dort die Bebauung richtig einzustellen – das wäre es wert gewesen, dass man sich mehr darüber unterhalten hätte statt über das Ob oder Nicht.“ (Autorin: Annika Mumme)