Der Stadtteil Häfen umfasst die Gebiete des Neustädter Hafens, der Industriehäfen (Foto), des Hohentorshafens und des stadtbremischen Überseehafengebiets Bremerhaven. (Foto: Jonas Völpel)
DiBei diesig-grauem Wetter sind weit und breit keine Schiffe in Sicht. Kurz vor Weihnachten wirkt der sonst so geschäftige Stadtteil am Wasser nahezu verschlafen. Über die Feiertage wird hier auch nicht mehr allzu viel passieren, danach fahren sie aber wieder parademäßig die Weser auf und ab – die Schiffe im Stadtteil Häfen.
Nicht einmal 280 Einwohner zählt der Stadtteil, der die Gebiete des Neustädter Hafens, der Industriehäfen, des Hohentorshafens und des stadtbremischen Überseehafengebiets Bremerhaven umfasst. Letzteres ist eine stadtbremische Exklave, für welche die Stadt Bremerhaven gern das Zepter trüge. Die Zuständigkeiten liegen jedoch fest in der Hand der Stadt Bremen.
Einer, der hier den Ton angibt und sowohl ein Büro in Bremen als auch eines in Bremerhaven besetzt, ist Hafenkapitän Andreas Mai. Auch nach langer Zeit in diesem Amt – seit 1996 – kann er sich dem Charme seines Hafens nicht entziehen. Hier treffen Industriebetriebe, Büros und mit dem Waller Ortsteil Überseestadt, modernes Wohnen aufeinander. „Es gibt hier sehr viele internationale Schnittstellen. Es ist multikulti und das war es schon, bevor man das Wort geschöpft hatte. Es ist tatsächlich eine Schnittstelle zwischen allen möglichen Lebensbereichen.“
Mai ist der Amtsleiter des Hansestadt Bremischen Hafenamtes und an diesem grauen Tag in Bremen anzutreffen. Er wacht darüber, was in den Häfen passiert. „Wir sind eine Eingriffsverwaltung, wie die Polizei. Wir arbeiten für die Bundesregierung und für drei senatorische Dienststellen. Wir machen Schiffsverkehrslenkung, Gefahrguthandling, Entsorgung von Schiffen.“
Die Sicherheit in den Häfen ist ebenfalls Aufgabenbereich des Amtsleiters. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 habe sich dieses Feld ausgeweitet. Ein Team, das sich auf Bremen-Stadt und das stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven verteilt, arbeitet mit 72 Personen im Zwei-Schicht-Dienst, um Abläufe zu koordinieren und Informationen in Fluss zu halten. An den Kajen geht es ebenfalls sieben Tage in der Woche rund: Hafenarbeit erfordert heute nicht mehr so viel Muskelkraft, dafür uneingeschränkte Konzentration, Fingerspitzengefühl und technisches Know-how.
Bremen liegt ungefähr 30 Seemeilen südlich von Bremerhaven, erklärt Andreas Mai. „Und wenn hier in Bremen Schiffe durch die Schleuse sollen, müssen wir die mehr oder weniger oben bei der Lotsenstation anfangen zu planen.“ Genau diese Schiffe sind es, die immer größer werden. Damit stellt sich ein grundlegendes Problem: Die niedrigen Hafenbecken in Bremen-Stadt können nicht mehr vollbeladen angelaufen werden, weshalb viele Schiffe vorab einen Teil ihrer Ladung in küstennah gelegenen Häfen löschen.
Die geplante Vertiefung der Weser, die vor über 15 Jahren von Bremen und Niedersachsen beantragt wurde und voraussichtlich etwa 50 Millionen Euro kosten wird, soll hier Abhilfe schaffen. Doch so, wie sich die Planer das Verfahren ausgerechnet hatten, kann es nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss nicht umgesetzt werden. Vieles hänge jedoch von der Flussvertiefung ab, sagt Andreas Mai, der jahrelang als Kapitän über die Meere reiste. „Natürlich wäre es schön, wenn man tiefer gehende und größere Schiffe hierher bekommen könnte. Doch ich weiß natürlich auch, dass es da unterschiedliche Perspektiven gibt, aus denen das Thema betrachtet wird.“
Eine solche ganz andere Betrachtungsweise hat beispielsweise Martin Rode, Geschäftsführer des BUND. Er war es, der das Urteil erwirkte und mit der Umweltorganisation vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zog. Seinerseits mit Erfolg: Im September 2016 erklärt das Gericht das Planfeststellungsverfahren für rechtswidrig, aufgrund der europäischen Wasserrahmenrichtlinie.
Unmöglich scheint die Vertiefung aber nicht. Das Aufsplitten der Verfahren in einzelne Abschnitte könnte die Vertiefung unter Umständen noch bringen. Rode findet dafür klare Worte: „Wenn ein solches Projekt mit massiven ökologischen Folgen verbunden ist, dann ist für mich klar, dass zumindest wir uns mit aller Energie dagegenstemmen, es getan haben und gegebenenfalls es auch zukünftig tun werden.“
Nachteile der Veränderung sieht Rode nicht nur in der Versalzung und Verschlickung des Flusswassers und der Ufer. Hinzu komme nach Ansicht des BUND-Sprechers, „dass sich die Tidenhubverhältnisse ändern, also der Zwischenraum zwischen Hochwasser und Niedrigwasser ständig größer wird". Auch die stärkeren Strömungsverhältnisse seien gerade bei Sturmfluten ein großer Nachteil; von den negativen Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt im Fluss ganz abgesehen.
Rüdiger Staats, Sprecher des Hafendienstleisters Bremenports, verweist indes auf die Bedeutung der Bremer Häfen für Bremen insgesamt – auch auf das stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven, wo sich nicht nur der viertgrößte Containerhafen Europas befindet, sondern wo ebenso „das Herz der bremischen Häfen“ schlage. Er sagt: „Es gibt keine Alternative zur Vertiefung der Außenweser-Fahrrinne. Bremerhaven muss als Containerhafen von Weltrang konkurrenzfähig sein und bleiben. Davon hängen viele tausend Arbeitsplätze ab.“ Diese liegen entlang der knapp 5000 Meter langen Stromkaje, an der im vergangenen Jahr etwa 5,5 Millionen Container umgeschlagen worden sind.
Für Staats ist aber insbesondere der Industriehafen, der ebenfalls zum Stadtteil Häfen zählt, das „vielseitigste und lebendigste“ Hafengebiet, das Bremen-Stadt zu bieten hat. „Das sehen Sie an den vielen Dingen, die dort umgeschlagen werden.“ Allein am Industriehafen werden jährlich insgesamt sechs bis sieben Millionen Tonnen Seegüter umgeschlagen, was bedeutet, dass hier mehr als der halbe Seegüterumschlag in Bremen-Stadt über die Bühne geht.
Für die Außenweser geht es um tideunabhängige Erreichbarkeit, die mit einem Abladetiefgang der Schiffe von bis zu 13,5 Meter gewährleistet werden soll. Zwischen Bremerhaven und Brake an der Unterweser sollen größere Schiffe mit bis zu 12,8 Meter Abladetiefgang einlaufen können und von Brake bis Bremen soll auf bis zu 11,1 Meter vertieft werden. Damit würde zwischen Brake und Bremen um bis zu 0,4 Meter ausgebaut werden. „Bei der Fahrt nach Bremen ist der sogenannte Abladetiefgang der Seeschiffe derzeit auf 10,70 Meter begrenzt. Das belastet den Hafen im internationalen Wettbewerb“, sagt Staats, und ergänzt, dass der Ausbau einen deutlichen wirtschaftlicheren Transport von Eisenerz und Kohle ermöglichen werde. Auch um anrainende Industrie wie Arcelor-Mittal weiterhin ausreichend mit Rohstoffen versorgen zu können.
Die Weser bei Bremen sei bereits jetzt ein unnatürlicher Flusskörper, sagt dagegen Rode. Das Teilstück sei „quasi komplett in Steine gefasst, bewegt sich nicht mehr und hat weder Röhrichte noch Watten im Flussbereich, sondern ist weitgehend naturfern.“ Es sei nicht sinnvoll, diese Entwicklungen voranzutreiben. Fischerei sei bereits gewichen, auch Landwirtschaft erwarte Einbußen. Mit der höheren Mischung von Salz- und Süßwasser steige der Salzgehalt im Trinkwasser. Innerhalb der nächsten 50 Jahre müsse über eine Kehrtwende nachgedacht werden, sagt Rode. „Die Weservertiefung macht nicht in der Weser halt, sondern da, wo die Tide abgegrenzt wird. Mein dringender Wunsch ist, dass die politischen Entscheidungsträger einsehen, dass sie hier aufs völlig falsche Pferd setzen, wir diese Weservertiefung überhaupt nicht brauchen.“ (Autorin: Annika Mumme)