Mitte: Baustellen und Baudenkmäler

Mitte.jpg

Das "Bremer Loch", also das Areal vor dem Hauptbahnhof, ist derzeit fast täglich Gesprächsthema. Einige würden das Areal gerne anders nutzen als es nun der Fall ist. (Foto: Frank Thomas Koch)

In Bremens Mitte ist immer etwas los: Hier sorgen der Bahnhof und die Discomeile für Betrieb. Aber auch Baustellen gibt es – und zwar existierende und geplante. Wir setzen schon mal den Schutzhelm auf...

Viele dieser Pläne werden im Postamt 5 geschmiedet, beispielsweise zur Umgestaltung der Diskomeile. Am 6. Juni 2016 wurde dieses Thema in einer öffentlichen Beiratssitzung im Postamt ausgiebig besprochen. Dies ist aber nicht nur ein Ort für Pläne, sondern auch einer, an dem die Themen in die Hand genommen werden sollen. Der Skaterpark, der hier ersatzweise für die Fläche am Bahnhofsvorplatz geplant ist, ist eines dieser Vorhaben. Es musste einem Konzept weichen, das vor Jahren in Angriff genommen werden sollte. Nun wird es konkreter mit der Bebauung am Bahnhofsvorplatz. Michael Rüppel, Beiratssprecher in Bremen-Mitte, sagt: „Wir haben im Beirat natürlich auch bestimmte Bedenken gehabt, haben aber mehr den Vorteil gesehen als die Nachteile.“

Und es nicht nur ein Thema, das Beirat, Behörden und Politik bewegt, sondern auch viele Bremer. Das „City-Gate“ hat in der Vergangenheit vor allem durch Verzögerungen der Baumaßnahmen für Aufsehen gesorgt. „Derzeit ist das noch etwas problematisch mit der Baugrube. Aber wir hoffen alle, dass das bebaut wird, damit das dort auch anders genutzt wird“, sagt Rüppel. Die Läden wünsche er sich an der Stelle, damit auch eine bessere Anbindung an die Innenstadt entstehe. „Wir hoffen aber auch, dass es eine Verbesserung am ZOB gibt, damit wir einen vernünftigen Busbahnhof kriegen. Insofern wird sich insgesamt in unmittelbarer Bahnhofsnähe eine ganze Menge in den nächsten Jahren ändern und hoffentlich verbessern.“

Bürger wünschen sich andere Nutzung als geplant

Das Areal um den Bremer Hauptbahnhof, 1889 vom Architekten Hubert Stier errichtet, wünschten sich einige Bürger anders genutzt, als es nun der Fall sein wird. Mit den zwei Gebäuden, die nach den Plänen des Schweizer Architekten Max Dudler errichtet werden sollen, können sich viele schwerlich bis gar nicht anfreunden. Olaf Brandtstaedter, Sprecher der Bremer Bahnhofsplatz Initiative, bemängelt, dass in Bremen ein Konzept der Innenverdichtung durchgeführt werde, welches wirtschaftlichen und – wie er sagt – „fiskalischen Überlegungen“ folge. Bürgerbeteiligung gebe es laut Brandtstaedter kaum mehr, worunter Kultur und auch gesundheitliche Aspekte leiden würden. „Kritiker werden als Meckerpötte mehr oder weniger abgetan. Das menschliche Zusammenleben in dieser Stadt dürfte durch diese Art, von oben herab die Stadt umzubauen, nachhaltig beschädigt werden.“

Jens Tittmann, Sprecher der Baubehörde, macht die Beteiligung mehrerer Parteien an dem Projekt deutlich. Unter anderem sieht er das Bauvorhaben durch den positiven Beschluss des Beirates bestätigt. In Zusammenarbeit mit dem Beirat sei zum Beispiel die Sichtachse an den Gebäuden noch verändert worden. Tittmann unterstreicht den Stellenwert des Bauvorhabens für ein Gesamtkonzept für die Bahnhofsvorstadt: „Hier wird ganz bewusst mit Gebäuden bebaut“, sagt der Sprecher. Dies begründet er auch durch die sozialen Gegebenheiten, die aktuell auf dem Areal zu finden sind. Nicht zuletzt stellen die Gebäude – und das ist ein wichtiger Punkt – „eine Scharnierfunktion für den Platz selber dar“, so Tittmann. Ein Scharnier zwischen Bahnhof und Innenstadt.

Brandtstaedter zeigt eine Entwurfsskizze des Bahnhofsvorplatzes. So soll es aussehen, das neue Tor zu Bremen. Jedoch ist der Entwurf so gestaltet, wie sich Olaf Brandtstaedter und weitere Bürger den Bahnhofsplatz vorstellen – ohne die sogenannten „Dudler-Bauten“. Brandtstaedter sieht den „Schuhkartons mit Allerweltsfassaden“, wie er sie nennt, mit Argwohn entgegen. „Man will uns ja immer ein bisschen weiß machen, dass das ja immer bebaut war und dass da ja nur ein Platz eingefasst wird“, sagt der Pädagoge. Weiter sagt er: „Ich denke, es passt sich nicht an die alten Geschichten an; der Blick auf den Bahnhof wird zugebaut.“

Neuer ZOB gewünscht

Brandtstaedter hat ein klares Konzept, wie Bürgerbeteiligung ablaufen sollte: Am Anfang sollten diejenigen beteiligt werden, die das Thema etwas angeht. Danach solle überlegt und im Anschluss gemeinsam entschieden werden. Bei der Planung zu den „City-Gate“-Bauten – und bei weiteren Bremer Projekten – sieht Brandtstaedter nicht, dass diese Reihenfolge eingehalten wurde: „Der Bau-Gedanke wurde erst einmal durch den Beirat und so weiter über die „Hürden" gebracht. Obwohl das ganze Thema in öffentliche Debatten gehört hätte. Dann wurden die Ergebnisse der Ausschreibungen nur noch verkündet.“

Abgesehen von der oft geforderten Grünfläche, wünschen sich viele Bürger auf der bislang brach liegenden Fläche einen neuen ZOB. Noch mehr Verkehr, noch mehr Asphalt, sagt Beiratssprecher Michael Rüppel. „Ein Busbahnhof zum Beispiel deshalb nicht, weil es da viel zu klein dafür ist. Auch mit den Ein- und Ausfahrten wäre das ganz schlecht.“ Busbahnhof und Gebäude-Komplex hin oder her: Hinter dem Bauzaun rührt sich momentan nichts. Nachdem der Investor, die Hamburger Achim-Griese-Treuhandgesellschaft, dem Tiefbau-Unternehmen kündigte, soll nun nach langem Stillstand im Oktober weitergearbeitet werden. Erst war es das Gleisbett der BSAG, das mehr als sieben Zentimeter absackte. Kurz darauf folgte die Hochstraße, die mit wenigen Millimetern in Schieflage geriet. Diese Mängel wurden behoben. Ende 2018, Anfang 2019 soll das „City-Gate" stehen; den Spatenstich machten Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), Bausenator Joachim Lohse (Grüne), Investor Achim Griese und Architekt Max Dudler am 26. August 2015. Wenn die Gebäude denn einmal stehen, sollen sie „die großstädtische Atmosphäre unterstreichen“, so Bürgermeister Carsten Sieling.

Der WESER-KURIER fragt, wie die Menschen, die aus dem Bahnhof auf den Vorplatz kommen, zu dem 100-Millionen-Euro-Projekt stehen. So schildert Andreas Feldl zum Beispiel, dass er immer viel für die freie Fläche übrig hatte: „Genauso wie für die Skaterbahn mit den Skatern, die da ihren Sport getrieben haben. Wenn jetzt alles zugebaut wird, ist das einfach furchtbar.“ Eine Befürworterin ist Sybille Renken. Ihr gefällt, dass mit dem Bauvorhaben neuer Schwung entsteht: „Ist einfach mal was anderes und es kommt mehr Leben in die Gegend. Alles wird lebendiger und es ist mehr los.“

Die Mehrheit spricht sich an diesem Tag jedoch gegen das „City-Gate“-Projekt aus. Christiane Strodthoff liefert einen bekannten Grund: „Ich bin überhaupt nicht begeistert davon. Der freie Platz hat mir immer gut gefallen, besonders wenn man aus dem Bahnhof kam. Ich habe Bedenken wegen der Straßenbahnen.“ André Reichert kann sich ebenfalls nicht für die zwei siebenstöckigen Gebäude erwärmen: „Ich finde alles um den Bahnhof herum optisch sehr unschön. Wenn da jetzt noch ein hohes Gebäude hinkommen würde, fände ich das hässlich. Grün- oder Entspannungsflächen fände ich viel viel schöner.“

Kritik nicht nachvollziehbar 

Der Architekt Oliver Platz sagt, dass die Stelle bebaut gehöre. „Man schaut auf die Hochstraße. Davor die undefinierte Fläche.“ Der Architekt und stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Architekten im Land Bremen bezeichnet die neuen Gebäude als „städtebauliche Bausteine“: „Die Gebäude fügen sich dort sehr wohl ein. Mit der Bauart ist zwar nichts Neues erfunden – muss man aber an der Stelle auch nicht. Ein aufgeregtes Haus wäre hier nachteilig“. Damit beschreibt das Vorstandsmitglied der Architektenkammer Bremen das Zusammenspiel des historischen Bahnhofsgebäudes und des Überseemuseums und wie sich ein neues Bauwerk dort einpflegen sollte.

Die Kritik, die seitens einiger Bürger eingebracht wird, kann er nicht ganz nachvollziehen. Platz sagt, der Komplex sei wohl proportioniert und auch in dieser Hinsicht seiner Umgebung angepasst. „In der Innenentwicklungsdiskussion ist es Pflicht, Flächen zu generieren.“ Platz beschreibt das Projekt weiter als ein „gutes“, ein „städtisches mit Volumen“, das es nun mit Qualität umzusetzen gelte. „Neues kommt oftmals sehr schlecht weg“, das Konzept sei für die insgesamt 5555 Quadratmeter große Fläche jedoch ein gutes.

Beiratssprecher Rüppel kann dem zustimmen: „Als ich zum ersten Mal nach Bremen kam, hatte ich jemanden fragen müssen, wo die Innenstadt ist. Man kommt aus dem Bahnhof, sieht diese Hochstraße und diesen etwas öden Platz.“ Richtig deutlich wird an der Stelle nicht, wo es zur Innenstadt geht. „Es wird demnächst so sein, wenn man aus dem Bahnhof kommt, – über die Architektur kann man ja streiten – dass die Innenstadt sichtbar wird. Man muss das im Ganzen und auch im Zusammenhang der Stadtentwicklung sehen, gerade, was die Bahnhofsvorstadt betrifft.“ Er fügt hinzu: „Ob ein Haus funktioniert und ob das angenommen wird, das hängt davon ab, was im Erdgeschoss an Nutzung ist.“ Die Baubehörde ist von dem Komplex überzeugt. Jens Tittmann sagt: „Wir halten an diesem Projekt fest.“