Zu Besuch im Papp und Portland in Neustadt. (Foto: Jonas Völpel)
Ein Netzwerk aus Fäden wie bei einem Spinnengeflecht. Das zeichne den Stadtteil aus, sagt Annemarie Czichon, Ortsamtsleiterin der Neustadt.
Im Portland, das in der der Friedrich-Ebert-Straße neben der Bar „Papp“ und dem anliegenden Papp-Café sowie der seitwärts zur Osterstraße befindlichen Panama Bar eröffnetet hat, steht das (leibliche) Wohl im Mittelpunkt.
In „Bowls“, also Schüsseln, gibt es die Mahlzeiten in bio-veganer Qualität. Mit dem Konzept holen die Inhaber ein Stückchen Portland aus den USA in die Friedrich-Ebert-Straße, Neustadt. Portland, Papp, Papp-Café, Panama: Die Läden verbindet mehr als nur ihre exponierte Lage in der Neustadt.
Die Neustadt als Netzwerk
Ein Netzwerk aus Fäden wie bei einem Spinnengeflecht. Das zeichne den Stadtteil aus, sagt Annemarie Czichon, Ortsamtsleiterin der Neustadt. „In der Nachbarschaft, in Bürgerinitiativen, bei den Kulturschaffenden, in der Flüchtlingsarbeit und auch zwischen den Institutionen, um nur einige Beispiele zu nennen.“
Kaum mehr auseinanderzuhalten, wer mit wem für welches Projekt kooperiert, wer gemeinsam einen Platz begrünt, eine Lesung oder ein Konzert organisiert oder welche Hände in den Kreativ-Unternehmen mitwirken, die auch anderswo anpacken. Denn es sind nicht ausschließlich die Betreiber des Papp-Cafés, des Panama, Portland oder Papp, die sich zusammenfinden und Raum für Kunst, Kultur und Freizeitgestaltung schaffen.
Es gibt außerdem das Neustädter Kulturnetzwerk Vis-a-Vis sowie die Hochschule Bremen, die Shakespeare Company, die Schwankhalle sowie mit das Kukoon im Buntentorsteinweg. Weitere Beispiele für die Stadtteilvernetzung sind der Gastronomietreff „Andererseits“ und die Location, die nur einen Steinwurf vom Portland entfernt liegt: das Karton.
Die Dete als Grundstein
„Insgesamt bewegt sich hier viel. Alle schließen sich gerade zusammen, und es werden immer mehr“, sagt Dominic Depner, einer der Portland-Inhaber. Ein Auslöser für all die Initiativen war das Zwischennutzungsprojekt Dete in einem leerstehenden Möbelgeschäft in der Lahnstraße, auch wenn die Betreiber, darunter auch der 30-jährige Depner und Nicolas Hirschmann, einer der Inhaber des Papp, sich nicht damit brüsten. Menschen aller Altersklassen und verschiedener Herkunft waren an einem Kulturort vereint. Rasant sprossen nach der Schließung der Dete 2014 neue Läden aus dem Boden und bieten heute eine Mischung aus Projekten, Kultur, Kunst und Gastronomie.
Das Karton war zuerst da. Kukoon kam nicht viel später, dann das Papp, das Portland, das Papp-Café, Panama. Lokale und Kneipen wie die Auszeit, das Kuß Rosa und das Gastfeld, welches seit Kurzem von den Kukoon-Betreibern geführt wird, waren bereits da. Auch das Mono, Gondi, Tequila und das Falstaff sind feste Gastro-Instanzen im Stadtteil, deren Vertreter sich am Gastrotreff beteiligen. „Es gibt kaum noch Läden hier, die nur noch Gastro machen“, sagte Nicolas Hirschmann.
Zurück in der Alten Schnapsfabrik. Viele kreative Köpfe – knapp 20 Unternehmen sind es mittlerweile – tüfteln, drehen Filme, schreiben und brüten hier über den eigenen und den Werken anderer. Das Karton liegt in der unteren Etage des Gebäudes, ist ein offener, stilvoller Raum und genau das Richtige für eine kurze Denkpause. Vielleicht ist er aber auch der Ort, an dem die nächsten Feste und Kulturveranstaltungen der Neustadt geplant werden...
Zentraler Stadtteil der kurzen Weg
Das Zentrale ist es, was die Neustädter unter anderem am Stadtteil schätzen. Kaum fünf Minuten von der Wilhelm-Kaisen-Brücke entfernt befindet sich die Innenstadt. Der Flughafen ist in wenigen Minuten von den Wohnhäusern der angrenzenden Quartiere erreichbar; von Airport bis zum Zentrum sind es zehn Minuten, bis zum Hauptbahnhof 14 Minuten Bahnfahrt durch Neustadt und Mitte. Eine ganze Airportstadt hat sich hier gebildet. Diese unmittelbare Nähe zwischen Wohngebieten und Landebahnen bringt aber auch einen Nachteil mit sich: Der Stadtteil wird von Fluglärm belastet.
Das Zentrale ist es auch, was die Nutzer der Bars und Läden um die Kreuzung der Friedrich-Ebert-Straße und Osterstraße zum Vorteil gestalten wollen. So geschah es 2015 mit dem Fest „Lichter der Neustadt“, das zur Weihnachtszeit auf dem kleinen Platz an der Kreuzung stattfand. Nach rund 6000 Besuchern an 20 Tagen soll es das Fest mit Kulturprogramm und Verkaufsständen in Jurten und selbst gezimmerten Hütten auch im Winter 2016 geben. Dem kleinen Platz fehlt bis dahin noch die passende Bezeichnung. Wird der 32-jährige Nicolas Hirschmann nach einer möglichen Namensgebung gefragt, sagt er schmunzelnd: „Wir würden ihn ja ganz gerne Jörg Hibbeler-Platz nennen.“ Damit wäre die kleine Fläche Jörg Hibbeler von der Bauaufsicht gewidmet.
Ein Trend, der damit einhergeht, dass immer mehr Menschen Raum und Angebote der Neustadt für sich entdecken, ist, dass die Mieten und Kaufpreise steigen. Annemarie Czichon, die auch Ortsamtsleiterin für Woltmershausen ist, sagt: „Die Neustadt ist eine gute Adresse. Und ein Haus oder eine Wohnung zu finden, egal ob zur Miete oder zum Kauf, möglichst auch noch bezahlbar, ist leider inzwischen fast aussichtslos.“
Bevölkerungsreichster Stadtteil Bremens
Mit gut 45.000 Einwohnern ist die Neustadt der bevölkerungsreichste Stadtteil Bremens. Es gilt, Wohnraum zu schaffen. Czichon sieht da die Schwierigkeit: „Der Neustadt fehlen einfach Flächen, sowohl für Wohnraum einschließlich der sozialen Infrastruktur, die möglichst wohnortnah sein sollte, also Spielplätze und Kitas, als auch für Gewerbe.“ Vor allem junge Familien und Studenten ziehen in die Häuser und Wohnungen der Neustadt.
Immobilienberaterin Ingrid Gehrels-Blaase bekräftigt die Aussage. Sie und Geschäftsführerin Daniela Schneider von Engel & Völkers Immobilien liegen mit der Agentur in der Osterstraße am Puls des Stadtteils und kennen die Preise. „In Top-Lagen, wie bei der umgedrehten Kommode, sind 13 bis 14 Euro pro Quadratmeter realistisch“, sagt Schneider. Ansonsten lägen die Mietpreise in der Neustadt bei circa zehn Euro pro Quadratmeter.
Es sei aber stets davon abhängig, in welchem Quartier gesucht werde, so Gehrels-Blaase. Der Buntentorsteinweg sei eine sehr beliebte Wohngegend. Auch sei alles begehrt, was den Blick auf das Wasser freigibt. Die hohen Mietpreise brächten die Menschen dazu, über einen Kauf anstelle einer Anmietung nachzudenken. „Wir haben hier immer wieder Studenten, die nach günstigen Wohnungen für WGs suchen.“ Tatsächlich, so Gehrels-Blaase, erreichten sie momentan die meisten Nachfragen von Studenten und Flüchtlingen. Preisgünstige Angebote seien aktuell die Ausnahme.
„Caritas Stadtteilzentrum“ als Treffpunkt
Eine weitere Form von Neustädter Netzwerk bietet auch gleichzeitig älteren Generationen, Kindern und Menschen, die etwas weniger Geld zur Verfügung haben, einen Treffpunkt in der Neustadt. „Caritas Stadtteilzentrum“ nennt Simone Lause, Sprecherin der Caritas, die Einrichtung des Caritasverbandes in der Kornstraße 371. Das Altenpflegeheim gebe es hier schon lange, so Lause. „Durch die Lebendigkeit in der Neustadt und durch die Nachbarschaft mit der Kita Kornstraße ist da ganz viel entstanden.“ Die Nähe zur Grundschule am Buntentorsteinweg würde beispielsweise zur „Offenheit des Hauses“ beitragen. Das große Foyer, das als Gemeinschaftsraum dient, bietet Raum für eine Gruppe von bis zu 130 Personen, sagt Simone Lause.
So viel Raum steht Depner und Hirschmann nicht zur Verfügung. Jedenfalls nicht in ihren Läden an der Friedrich-Ebert-Straße. Auf dem Platz, der davor liegt, sieht das schon anders aus. Depner sagt, dass er es gut findet, dass aus einem bewegten Nachtleben nun auch tagsüber eine lebendige Gemeinschaft wird. Zudem gebe es immer mehr Familienangebote. Aber natürlich bleiben Konflikte nicht aus: Vorher war der Platz leer, jetzt ist er belebt. Das ist eine Umstellung für manche Anwohner, es gebe aber deutlich mehr Zuspruch als Probleme, sagt Depner. (Autorin: Annika Mumme)