Woltmershausen: Licht am Ende des Tunnels

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Das Lankenauer Höft soll aufgewertet werden. Die Frage, die alle bewegt, ist: wie? (Foto: Jonas Völpel)

Bis 1902 war Woltmershausen ein eigenständiges Dorf, und gefühlt ist das auch heute noch so – zumindest für viele Bewohner, die sich selbst übrigens als „Pusdorfer" bezeichnen, weil der Wind bei ihnen immer so stark über den Deich pustet.  Dörflich ist bislang auch die Halbinsel Lankenauer Höft – die Frage ist nur: Wie lange noch?

14.278 Menschen leben heute hier und es ist tatsächlich so, dass der Stadtteil nahezu „eingeschlossen“ ist: Der Stadtteil ist auf der einen Seite vom Hohentorshafen begrenzt, auf der anderen vom Neustädter Hafen an der Weser. Im Anschluss daran folgen zur Linken Eisenbahnschienen, die Senator-Apelt-Straße, dahinter die A 281 und das Güterverkehrszentrum. Hinein in den Stadtteileingang kommt man zumeist durch einen Tunnel.

Diese „Abgeschiedenheit" ist ein Grund, weshalb sich Beirat und Ortsamt in Woltmershausen für den Ausbau des Weserradweges und der Bus- und Fährverbindungen einsetzen. Gerade die attraktive Radstrecke am linken Weserufer sei wichtig für den Stadtteil, der aus den Ortsteilen Woltmershausen und Rablinghausen besteht, sagt Woltmershausens Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon. „Dem Beirat ist zum einen wichtig, den maritimen Charakter zu betonen, zum anderen den Weserradweg auch wirklich an der Weser entlangzuführen.“

Wichtig sind diese Erweiterungen auch für die Halbinsel Lankenauer Höft in Rablinghausen, die als letztes Überbleibsel an den Ortsteil Lankenau erinnert. Dieser musste Anfang der 1960er-Jahre dem Bau des Neustädter Hafens weichen. Das Restaurant Lankenauer Höft ist am Zipfel der Landzunge zu finden. Doch nicht mehr lange, zumindest in der jetzigen Form: Mit dem 31. Dezember 2016 verlässt Joachim Oekermann samt Belegschaft das Gebäude am Lankenauer Höft, in dem das Restaurant seit 39 Jahren als Familienbetrieb geführt wird. Das ist der Tag, an dem der Pachtvertrag mit der Brauerei Anheuser-Busch InBev ausläuft – und nicht verlängert wird. „Die Gäste kennen die Mitarbeiter per Namen“, sagt der Gastwirt. Seit Dezember 2014 wisse er, dass diese Situation auf ihn zukomme. Die offizielle Kündigung habe er im Mai 2016 erhalten. „Man hat ja noch gehofft, dass man da noch mit einsteigen kann, aber das ist eine Nummer zu groß für uns.“

Das Areal am Lankenauer Höft solle aufgewertet und besser in den Stadtteil integriert werden. So lässt es sich der Ausschreibung für das Gebiet entnehmen, die die Hafengesellschaft Bremenports dem Woltmershauser Beirat im August vorgestellt hat. „Es geht nicht darum, dort etwas Gutes zu zerstören“, sagt Ortsamtsleiterin Czichon, „ganz im Gegenteil, es soll etwas Aufwertung hinzukommen.“ Auch das gastronomische Angebot, mit dem sich viele Besucher am Lankenauer Höft wohlfühlen, solle laut Czichon unbedingt erhalten bleiben.

Was die Neugestaltung des Erholungsgebietes im Detail beinhaltet, ergibt sich mehrheitlich nach der Ausschreibung. Erste Pläne gibt es aber schon: Eine Marina könnte hier entstehen, Liege- und Stellplätze für Motorboote und Wohnmobile. Sogar ein Hotel ist im Gespräch. Das Gebiet bleibe weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich, „mit erweitertem Freizeitangebot“, wie es in der Präsentation für den Woltmershauser Beirat heißt. Flächen, die momentan brach lägen, sollten wieder genutzt, jedoch nicht zweckentfremdet werden, sagt Klaus Bartels, Leiter für Hafenentwicklung bei Bremenports.

„Herr Oekermann hat, wie jeder andere auch, die Möglichkeit, ein Angebot auf die Ausschreibung zu stellen“, so Bartels. Dies solle die Chancengleichheit gewährleisten, schildert der Hafenentwicklungsleiter. Bis zum 14. Oktober 2016 läuft die Ausschreibung noch. „Das ist finanziell zu groß für uns“, sagt Joachim Oekermann, „Das Restaurant hätten wir hier gerne weiter betrieben, renoviert natürlich, aber das wird ja nun nichts mehr.“ Ein Konzept mit Freizeitaktivitäten entspricht nicht seinen Vorstellungen. „Das ist nichts für einen Gastronom, da haben wir auch keine Ahnung von.“ Die Renovierungskosten würden dabei ebenfalls eine Rolle spielen. Das Gebäude sei marode.

„Der Beirat würde sich freuen, wenn Familie Oekermann dort bleiben würde, und hat auch ausdrücklich beschlossen, dass, wenn möglich, mit den jetzigen Betreibern wieder ein Pachtvertrag geschlossen werden kann“, sagt Czichon. Es sei gleichzeitig der Wunsch, das Angebot am Lankenauer Höft zu ergänzen. „Die Seele Woltmershausens soll dort Platz haben“, so die Ortsamtsleiterin.

In vielen Diskussionsrunden mit Behörden, Planern und der Liegenschaftsverwaltung Bremenports wurde das Konzept gemeinsam auf den Weg gebracht. Damit bietet die Hafengesellschaft im Vorfeld einen Dialog, zu welchem sie – ebenso wie zu der Ausschreibung – nicht verpflichtet ist. „Wir wollen aber Transparenz zeigen.“ Bürger und Beirat in die Planungen einzubeziehen, sei essentiell für den Entwicklungsprozess, sagt Bartels.

Dennoch waren nicht nur der Gastwirt und dessen Mitarbeiter erregt, als sie im Mai 2016 erfuhren, dass der Pachtvertrag nicht verlängert wird. Gäste setzten sich für das Restaurant ein: Ein in Bayern lebender Bremer meldet sich in einem Leserbrief zu Wort. Eine schriftliche Petition liegt im Lankenauer Höft aus. Bislang hätten hier circa 5000 Menschen unterzeichnet, sagt Oekermann. Eine Online-Petition wurd ebenfalls gestartet. 324 Menschen zeigten im August auf diesem und auf anderen Wegen ihre Verbundenheit.

Einer von ihnen ist Professor Dr. Günther Holzapfel. Er fürchtet, dass mit der Neugestaltung auch die Beschaulichkeit der Landzunge verloren geht. „Ich finde, das ist bereits ein belebter Ort und gleichzeitig ein sehr friedvoller Ort.“ Diese Charakterzüge machten nach Holzapfel Woltmershausen, vor allem jedoch die Halbinsel, aus. Nicht etwa eine „auf maritim gestylte Landzunge“. Generell habe der Hochschullehrer nichts gegen Neuerungen: Dass dem Restaurant eine Renovierung gut täte, das sieht auch er. 

Ein weiteres Thema, welches unter Anwohnern und Gästen des Lokals aufkommt, sorgt besonders für Aufregung: die Möglichkeit einer Wohnbebauung auf dem Lankenauer Höft. Im Protokoll einer öffentlichen Beiratssitzung vom 15. August 2016 heißt es seitens eines „Vertreters des Bauressorts“, „dass die Lärmentwicklung aus dem benachbarten Hafengebiet eine solche Nutzung in keinem Fall zulasse“. Auch Ortsamtsleiterin Czichon betont, dass es sich dabei um ein Gerücht handele. „Das hat überhaupt keine Grundlage.“ Wohnbau schließe sich hier schon durch den Flächennutzungsplan aus. Klaus Bartels bekräftigt, dass keine derartigen Pläne bestünden.

Dennoch sorgen sich Anwohner weiter um die Nutzung des Lankenauer Höfts. „Als ich den Ausdruck der Vitalisierung zum ersten Mal gelesen habe, war ich skeptisch“, sagt Holzapfel, der häufig im Lankenauer Höft speist. Er habe nachgefragt, was das genau bedeute und als Antwort Informationen erhalten, die bereits bekannt sind. Nach Holzapfel seien Transparenz und Bürgerbeteiligung an dieser Stelle verbesserungsfähig. Der 75-Jährige Hochschulprofessor vertritt den Standpunkt, „dass nicht jeder Meter in Bremen – um es kräftiger zu sagen – zubetoniert werden muss.“ Dabei betont er, dass es nicht darum gehe, einer Partei der Bürger zu folgen, vielmehr könne der Diskurs erweitert werden – früher, als es bisher der Fall sei.

In einer nichtöffentlichen Sitzung wird Bremenports den Beirat über die Ausschreibungsangebote und die Entscheidungen informieren. Bartels erwartet viel Zustimmung. „Wir haben ja alles gemeinsam erarbeitet.“ Wer den Zuschlag erhält, bekommt für 30 Jahre das Erbbaurecht. Die alleinige Entscheidung liegt nicht bei Bremenports: „Wir sind Liegenschaftsverwaltung“, sagt Klaus Bartels. Entscheidungskraft haben unter anderem auch das Bauressort, die Deputation, Hafenausschuss und der entsprechende Haushaltsausschuss. Es sei es ein Anliegen, möglichst zeitnah über die Ergebnisse zu informieren.

Joachim Oekermann sagt: „Die Leute kommen her, weil sie ihre Ruhe haben möchten. Viele gehen nur spazieren. Aber wenn hier Trubel kommt, weiß ich nicht, ob die Menschen davon so begeistert sind. Hier ist eine kleine ruhige Ecke. Und man weiß ja nicht, was hier kommt.“ (Autorin: Annika Mumme)